Olga, Diste (Svetlanas) - 26.06.2015

Eins meiner vielleicht spannendsten Interviews der letzten Zeit gab es im FZW in Dortmund beim Youth Brigade Festival mit den . Die Band um die Exil-Russin Olga hat aufgrund ihrer Musik ein Einreiseverbot in Russland und gibt bereitwillig Auskunft über die politische Situation in Russlands, sowie ihr Verhältnis zum Präsidenten.

Jöran: Es wäre super, wenn ihr euch direkt mal eben vorstellen würdet.

Diste: Ich bin Diste, der Drummer.

Steve: Ich bin Steve, der Bassist.

Ginger: Ich bin Ginger, der Gitarrist.

Olga: Ich bin Olga, der Boss.

Jöran: Könnt ihr mal ein wenig über die Band erzählen? Du, Olga, kommst aus Russland, die Jungs kommen aus Italien? Wie habt ihr die Band gegründet?

Olga: Wir haben so vor 6 bis 7 Jahren angefangen, als wir uns in Mailand getroffen haben, wo wir auch immer noch leben.

Diste: Die große Story ist diese: Wir haben die Band wegen Olga gegründet. Sie hatte Probleme in Russland, als sie jünger war und musste das Land mit ihrer Mutter verlassen. Ich meine, Du kennst die politischen Probleme in Russland. Es gibt keine echte Demokratie, sonder eine Diktatur. Wir dürfen aus diesem Grund auch nicht nach Russland einreisen und spielen. Dazu kommt dann noch das Problem mit der Musik, die wir spielen. Wir haben also darum gegründet und denken, dass wir eine Message an die Leute haben.

Jöran: Ihr habt jetzt vor kurzem Naked Horse Rider veröffentlicht. Wie ist das Feedback bisher?

Diste: Sehr gut. Wir hatten ne Menge unterschiedliches Feedback bisher. Viele sagen, dass sie es total klasse finden, andere sind eher ablehnend. Wir hatten auch n paar Hacker auf unserer Website.

Olga: Und auch auf unserer Facebook-Page. Die haben uns dann Messages geschrieben, wir sollten vorsichtig sein und das unsere Website down wäre.

Diste: Wir bekommen in letzter Zeit häufiger solche Nachrichten. Irgendwer mag uns also nicht. Vielleicht Herr Putin.

Jöran: Ich fand das Artwork super… Warum habt ihr genau das Bild genommen? Es gibt so viele lächerliche Fotos von Putin. Warum das auf dem Pferd?

Diste: Also ich find das schon ziemlich lächerlich. Es ist so ein gewisses Image, dass er von sich aufbauen will. Stark, halbnackt, mit einem Kreuz.

Olga: Hast Du das Foto von ihm mit dem Wolf gesehen?

Jöran: Nee, das kenn ich nicht.

Diste: Auch super…

Jöran: Ihr seid also offiziell seit September 2014 aus Russland verbannt? Seit neun Monaten. Wie organisiert ihr euer Leben? Und wie ist das für Dich, Olga? Du kannst also nicht mehr zurück?

Olga: ich will auch gar nicht zurück. Ich lebe jetzt recht lange mit meiner Mutter in Italien und wir haben eine russische Community in Italien, es ist also ganz okay.

Jöran: Gab es da eine besondere Begebenheit, wegen der ihr verbannt wurdet?

Diste: Viele Promoter in Russland haben uns gesagt, wir hätten keine Erlaubnis mehr in Russland zu spielen und auf die Frage, warum, hieß es nur: „Weil das eben so ist.“

Olga: Du kannst in Russland eben keinen Punk spielen.

Diste: Und wir können auch nicht als Touristen nach Russland einreisen.

Jöran: Ihr seid also komplett verbannt? Wenn ihr einreisen würdet, dann würde was passieren?

Diste: Ich weiß nicht. Und ich will es auch nicht ausprobieren… (lacht)

Jöran: Wie macht ihr denn das mit dem Reisen? Ihr tourt ja bald in den USA. Kann man mit eurem Status einfach so reisen?

Diste: Jaja, also die USA sind da kein Problem.

Olga: Wir touren auch recht häufig in den USA, zwei Mal im Jahr mindestens.

Diste: Und wir haben auch ein amerikanisches Label.

Jöran: Ihr habt bisher zwei Alben vor Naked Horse Rider veröffentlicht. Gibt es Pläne, die auch in Deutschland zu veröffentlichen?

Diste: Ich hoffe mal. Wobei unser zweites Album hier schon erhältlich sein sollte. Und das erste ist eh vergriffen. Da gab es nur knapp 1000 Exemplare von. Aber das zweite wurde auf jeden Fall in Europa veröffentlicht.

Jöran: Habt ihr eigentlich noch Kontakt zu Menschen in Russland? Oder ist das zu gefährlich?

Olga: Ja, ich habe noch ne Menge Freunde. Und einige meiner Freunde leben auch in den USA.

Diste: Wir haben ein paar russische Fans in den USA. Da war dieser Typ im Putin-Shirt von uns bei einem unserer Konzert.

Olga: Oh ja, der war super. Total stolz…

Jöran: Seht ihr denn eine Art Entwicklung in Russland, die es euch ermöglichen würde, nach Russland zurück zu kommen?

Diste: Nein, nicht wirklich. Es wirkt alles so, als wäre es wie eingefroren.

Jöran: Also keine Chance? Ich meine, bei der Wahl 2011 gab es ja schon Demonstrationen. Was ist daraus geworden?

Diste: Ich meine, Du siehst was mit Oppositionellen passiert. Ich glaube, da passiert wenig.

Olga: Aber es gibt trotzdem eine Underground-Punk-Szene. Ne Menge Bands die da spielen, aber natürlich nicht alles sagen können.

Jöran: Ich denke mal, dass ihr häufig über euren Background befragt werdet. Gerade über Russland und Politik. Ist das ermüdend? Oder ist es für euch immer noch ne Chance, Leuten ins Gedächtnis zu rufen, was in Russland passiert?

Diste: Ja, das genau ist der Punkt. Wenn Du Dir unsere Texte ansiehst, sind sie zwar lustig, aber strikt gegen Putin. Wir legen aber immer Wert darauf, das auf eine lustige Weis zu machen. Wir wollen Menschen zum Lachen bringen, auch, wenn es sich um ein sehr ernstes Thema handelt. Wir werden also nicht müde darüber zu reden.

Jöran: Wie wichtig ist Putin denn dann für eure Musik? Ein wenig so, wie damals George W. Bush für die Punk-Szene in den USA?

Diste: Ja, vielleicht ein bisschen. Damals gab es ja von Fat Wreck die ganzen Compilations. Aber die Bands wurden nicht gleich verbannt. Es ist also schon was anderes.

Jöran: Gibt es denn in Russland eine Szene oder auch Jugendliche, die gegen das Regime sind?

Olga: Ja!

Diste: Ja, ne ganze Menge. Jeder will frei sprechen dürfen?

Jöran: Okay, noch mal zur US-Tour. Was bedeutet euch das? Es ist ja ne recht lange Tour.

Diste: Ja, das wird n großes Ding. Wir spielen zum ersten Mal auf der Warped-Tour.

Jöran: Letzte Frage. Dying Scene hat euch mal die „Most Dangerous Band In The World“ genannt. Seid ihr darauf stolz?

Diste: Aber natürlich! Ich bin da sehr stolz drauf! Aber um das genau zu verstehen, musst Du Olga auf der Bühne sehen…

Autor: Jöran Kuschel

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