Joey Cape, Tony Sly (Joey Cape) - 27.02.2010

Im Rahmen der gemeinsamen Akustik-Show der Herren Caps, Sly und Snodgrass, hatte ich die Möglichkeit und zu interviewen. Aufgrund der knappen Zeit, führte ich das Interview Fetzordie. So ging es um die neuen Alben der beiden Punkrock-Legenden, die Art und Weise des Schreibens und Aufnehmens, sowie das Schöne am Solo-Touren.

Bexx: Joey, wie war die Tour bisher?

Tony: Sehr gut soweit. Heute bin ich ziemlich fertig, weil wir gestern in Berlin gespielt haben und eine lange Nacht hatten. Aber wir haben jede Menge Spaß.

Jöran: Du gehst ja mit der Art der Veröffentlichung von "Doesn't play well" einen ganz neuen Weg indem Du jeden Monat ein Stück veröffentlichst. Warum hast Du Dich für diesen Weg entschieden?

Joey: Ich denke schon seit Jahren, dass das Album als Format aussterben wird. Für das letzte Lagwagon-Album hatte ich schon versucht, die Jungs von so einer Arbeitsweise zu überzeugen, man kann auf diese Art und Weise viel regelmäßiger Musik veröffentlichen. Du interagierst ja mittlerweile sowieso schon viel direkter mit vielen Leuten und Netzwerken. Und ich glaube auch, dass es für viele Leute wesentlich komfortabler ist einzelne Songs zu kaufen. Außerdem ist es sehr schön dauerhaft Musik rauszubringen und nicht wie sonst schon mal Jahre warten zu müssen, da es manchmal so lange dauert, ein komplettes Album zu schreiben. Daher mag ich diese Idee. Weißt Du, wenn ich sowas wie eine Regierungsunterstützung hätte, würde ich meine Musik auch einfach so rausgeben. Ich denke, dass Musik frei beziehbar sein sollte. Und das ist jetzt der Weg, der am nächsten an diese Idee rankommt. Wie auch immer, ich denke es gibt auch genug Leute, die ein Album als Releaseform wertschätzen. Ich habe darüber lange nachgedacht und habe dann den Entschluss gefasst, einzelne Stücke zu veröffentlichen und am Ende des Jahres das Ganze als Album zu verkaufen. Das ist etwas, was ich über Jahre tun könnte. Jeden Monat einen Song rausbringen und dann am Ende ein Album draus machen. Das klingt für ich nach einem plausiblen Weg den Leuten Musik zu liefern. Und wenn es sich um Akkustik-Musik handelt, dann kann ich die auch für umsonst bei mir zu Hause aufnehmen. Wenn ich also einen Song schreibe, kann ich ihn direkt aufnehmen.

Tony: Vielleicht sollte ich mein nächsten Album bei Dir aufnehmen. Mir gefällt der Sound.

Joey: Ja klar, kannst Du gerne machen.

Bexx: Nehmt ihr eure Alben analog auf, oder arbeitet ihr digital bei den Aufnahmen?

Joey: Es ist definitiv ein digitales Format, auf dem ich aufnehme, auch wenn ich viele Effekte und Geräte benutze, die einen analogen Ursprung haben. Ich denke, es ist mittlerweile gängige Praxis, dass man digital aufnimmt. Ich denke, die Vorteile von digitalen Aufnahmen liegen auf der Hand, es ist wesentlich einfacher, Stücke zu bearbeiten. Plus die Tatsache, dass analoge Geräte einfach unheimlich teuer sind in der Anschaffung. Ich kann es mir leider nicht leisten, mein Studio mit analogen Geräten zu bestücken, damit aufzunehmen und dann erst als Format ein digitales zu wählen, sonst würde ich das auch gerne machen.

Tony: Man kann die Sachen dann ja auch auf ein Tape runterziehen…

Joey: … genau, du packst die Sachen vor dem Mastern auf ein Tape, solche Sachen, das hat dann auch wieder einen Einfluss auf die Aufnahme… Ich habe da mit der Zeit so ziemlich alles versucht, was man machen kann… Ich denke, am Anfang haben wir relativ wenig digitale Möglichkeiten bei den Aufnahmen benutzt, haben bei Lagwagon die Instrumente alle analog aufgenommen, und dann den Gesang digital aufgenommen und drüber gelegt, aber mit jedem Album ist der ‚digitale Anteil‘ größer und größer geworden, auch wenn ich von analog nicht ganz lassen kann, einfach weil ich damit aufgewachsen und das gewohnt bin. Der Klang ist teilweise besser, wärmer… In den letzten Jahren ist das aber auch besser geworden, und wir sind mittlerweile an einem Punkt angekommen, wo man sagen muss, dass es ein Kampf ist, den man verloren geben muss, die digitalen Möglichkeiten sind mittlerweile wirklich so gut, dass man den Unterschied nur schwer hört. Dazu kommt: Du gibst dir Mühe bei der Aufnahme, machst alles analog, und die Leute komprimieren die Musik, um sie auf dem iPod hören zu können (zuckt resigniert mit den Schultern).

Tony: Ich denke, wir sind mittlerweile an einem Punkt, an dem die digitale Technik es einem ermöglicht, den analogen Sound wiederzugeben, man hat da nicht mehr wirklich solche Verluste, wie früher mal. Es gibt viele Plug-Ins, die den Sound sehr gut nachstellen können, es ist beeindruckend, was da mittlerweile alles möglich ist.

Jöran: Wenn ihr Songs schreibt, wie entscheidet ihr dann, ob es was für eine eurer Bands ist, oder eher was für die Solosachen?

Joey: Ich schreibe einfach Songs. Manche sind dann eher für das eine Projekt, manche für die Bands. Aber jeder Song, den ich schreibe, beginnt auf der Akkustik-Gitarre. Das bedeutet, dass jeder Song auch in einer Akkustik-Version funktionieren würde. Andersrum ist das nicht immer so.

Tony: Ich schreibe so, dass ich mir sicher bin, dass die Songs jetzt nur akustisch funktionieren, man kriegt ein Gespür dafür…

Joey: Die "Older Brother-EP ist ja zum Beispiel entstanden, als mein Solo-Album schon fertig war. Ich hatte aber keine weiteren Stücke übrig, die Band wollte aber unbedingt was neues rausbringen. Daher haben wir einige von meinen Stücken genommen, weshalb die EP meiner Meinung nach anders klingt, als die anderen Lagwagon Sachen, da die Songs ja anders gedacht waren.

Bexx: Die nächste Frage geht an euch beide: Wie stehen eure Bands zu euren Solo-Ausflügen? Joey, mit dir habe ich neulich ein Interview auf einer kanadischen Seite gelesen, das ein bisschen so klang, als ob es um Lagwagon nicht sehr gut bestellt sei, im Moment…

Joey: Hm, die Situation… ist schwierig…

Tony: Ich werde die Frage einfach für Joey beantworten, so wie es sich für mich von außen im Moment darstellt, das macht es vielleicht etwas einfacher… Ich denke, es ist so, dass Dave Raun bei Hot Water Music spielt, Jesse, der Bassist hat die Band verlassen und ich weiß, dass Chris Rest bei No Use For A Name spielt… Somit… (beide lachen) Ich weiß definitiv, dass Chris bereit ist, alles mit Lagwagon zu machen, wenn es sich ergibt, da haben wir drüber gesprochen, wir sind da cool miteinander.

Joey: Es gibt in dem Sinne eigentlich keinen Stress, es ist etwas schwierig. Wir sind lange auf Tour gewesen, zuletzt in Japan. Und bei den letzten Shows haben wir uns angesehen und es ist uns klar geworden, dass es Zeit ist für eine längere Pause, und die haben wir jetzt genommen. Das ist bei Lagwagon ja nicht zum ersten Mal der Fall, wir haben das ja öfter gemacht. Das Akustik-Ding hat nichts mit der Band zu tun, das ist eine ganz andere Geschichte… Ich mache für mich immer akustische Musik. Ich mag es nicht, lange zu Hause zu sein, ich will weiter was unternehmen. Ich kann nicht einfach nur rumsitzen und darauf warten, dass es mit der Band weiter geht. Ich habe das schon mal gesagt, und ich sage es wieder: Wenn ich solo unterwegs bin, ist es für mich ähnlich, als wenn ich mit der Band unterwegs bin: Du hast immer noch Leute um dich herum, der Ablauf ist der gleiche, es ist eben wie eine Familie. Ich mag das so, es gibt mir was zurück, und es ist eben direkter. Mit der Band musst du dich immer auf Kompromisse einigen, es fühlt sich öfter mehr wie Arbeit an, als wenn ich solo unterwegs bin. Es ist bei uns schon schwierig, wir müssen uns alle abstimmen. Eigentlich wollten wir im Juli zusammen mit No Use For A Name eine Tour in Europa spielen, jetzt sieht es so als, als ob sie die spielen werden. Tony (lacht): Wir sind gerade dabei, die Tour zu buchen.

Joey: Wir kriegen es einfach nicht hintereinander. Ich war richtig begeistert von der Idee, die Tour zusammen zu machen, aber es ist eben schwierig, alle unter einen Hut zu kriegen…

Tony: Ich war von der Idee einer gemeinsamen Tour auch sehr begeistert, bin mir jetzt aber nicht ganz sicher, ob es für die Jungs wirklich so gut wäre. Dazu kommt, dass mein Album jetzt erschienen ist und ich laufend weitere Anfragen für Konzerte bekomme, ich lasse das jetzt ein bisschen so laufen und gucke, wie es läuft. Meine Jungs sind jetzt nicht so, dass sie mich angebettelt hätten, wieder auf Tour zu gehen mit der Band.

Joey: Die coole Sache bei den Akustik-Shows ist die, dass du dich nicht mit anderen Leuten abstimmen musst, keine Musiker, keine Crew, die alle Zeit haben müssen, damit es funktioniert. Wegen der Zeitprobleme hat es in der ganzen Zeit so viele Touren gegeben, die nicht stattgefunden haben. Wenn Du Akkustik-Shows spielen willst, bekommst du eine Anfrage, packst deine Klamotten, deine Gitarre und bist startklar. Das ist echt cool.

Jöran: In wie weit unterscheidet sich denn das Publikum von No Use For A Name oder Lagwagon Shows?

Joey: Ich glaube es sind immer die selben Leute, überall, auf der ganzen Welt. Ach, oder meinst Du im Vergleich zu den Akkustik-Shows?

Tony: Es ist auf jeden Fall kleiner, intimer. Ich hätte auch zu große Angst damit vor riesigen Massen aufzutreten. Ich werde jetzt für NOFX auf ihrer Tour Opener sein, das ist vielleicht tatsächlich etwas gefährlich. Ich bin mir nicht ganz sicher, wie gut das ankommt, zumal ich neben zwei richtigen Punkbands spielen werde. Auf der anderen Seite hätte ich selber nicht die Möglichkeit, in so großen Hallen zu spielen, das sind jetzt Hallen für 5000-7000 Leuten, vor denen ich auftreten werde.

Joey: Und du spielst dann während der Umbaupause, oder wie? Das find ich ziemlich cool

Tony: Nein, ich spiele als Erster. Das wird auf jeden Fall hart.

Joey: Wie? Du spielst zuerst? Ich dachte es wäre erst Teenage Bottlerocket, dann Du und dann NOFX? Das ist verrückt...

Tony: Ja. Das kannst du wohl so sagen (lacht). "Are you ready to rock?" Und dann fange ich an rumzuschrammeln. Ich glaube, der Tourmanager hatte sowas im Hinterkopf, er hat sich ne Show von mir angesehen und war etwas irritiert, er hatte wohl gedacht, dass ich einfach alleine das mache, was ich sonst mit No Use machen würde, elektrisch, mit viel Gas geben und so. Deswegen macht mir die ganze Sache schon ein wenig Angst. Ich werde einfach ein paar NOFX-Songs spielen...

Joey: Vielleicht spielst Du dann auch direkt Sachen, die sie sowieso am Abend spielen wollten.

Tony: Ja, so unter dem Motto "Hey, Fat Mike, warum kommst Du nicht raus und hilfst mir ein bisschen?"

Es entsteht eine Diskussion mit dem dazu gekommenen Jon Snodgrass ob dieser Plan durchführbar wäre und welche Musiker das schon mal so gemacht haben...

Bexx: In Bezug auf die Musik eurer beiden Solo-Alben hatte ich das Gefühl, dass Tonys Album einen wesentlich positiveren Vibe hatte, als Joeys Album, das mit wesentlich dunkler und melancholischer vorkam.

Joey: Nein, auf gar keinen Fall. Ich finde Tonys Album sehr düster, richtig depressiv. Ein gemeinsamer Freund und ich haben neulich miteinander gesprochen und er meinte ‚Hast du schon Tonys Album gehört? Geht es ihm gut?‘ und ich hab es mir dann angehört und wusste sofort, was der Freund meinte. Ich finde es ziemlich düster. Vom Stil her ist es doch anders als meins, ich denke, dass ich mit meinen Songs zunehmend andere Richtungen einschlage, das Ganze wird abwechslungsreicher, allerdings sind viele der Musiker, die ich höre, welche, die eher melancholische Musik machen, das spiegelt sich vielleicht ein wenig in der Musik wieder. Ich schreibe über Sachen in meinem Leben, die mich betreffen, das hat sicherlich einen Einfluss. Ich mache auf der Bühne oft diesen Witz: "We're here to have a good time – but there are no good time songs." Aber eigentlich bin ich ein wirklich glücklicher Mensch, es geht mir gut, ich bin glücklich mit meiner Familie, vielleicht denken deswegen viele Leute, dass ich mich erschießen würde, weil es in der Musik so nicht rüberkommt.

Tony: Mein Album fasst eine bestimmte Phase meines Lebens zusammen. Das Album dreht sich viel um Beziehungsprobleme, die sich in den Texten niedergeschlagen haben. Es gibt gute und schlechte Sachen in Bezug darauf, sowas zu schreiben. Ich habe viele Leute gehabt, die zu mir gekommen sind und mich angesprochen haben, weil der Text eines Songs sie sehr berührt hat und sie darüber mit mir reden wollen, weil er etwas aussagt, was sie nachvollziehen können oder weil er etwas ausdrückt, was sie auch so empfinden, das ist teilweise echt schwierig, damit umgehen zu können.

Jöran: Du hast die Produktion der Platte eine "freeing experience" genannt. Was meinst Du damit?

Tony: Es war einfach das allein sein. Ich habe es alleine geschrieben, war alleine im Studio, es gab niemanden, der mich darin beeinflusst hat, was ich mache und wie ich es mache. Ich habe alle Songs in einer sehr kurzen Zeit geschrieben, ich habe sie alle recht schnell nacheinander aufgenommen, und es war gut, dass ich das gemacht habe. Ich fand es ziemlich befreiend, Shows zu spielen und für mich selber verantwortlich zu sein, auch wenn es manchmal anstrengend war, ich habe meine Sachen gepackt und bin für eine Show nach Seattle gefahren, das war vielleicht keine so gute Idee, das war einfach sehr anstrengend wegen der Fahrerei, aber es war eine gute Erfahrung, so komplett alleine auf Tour zu sein.

Bexx: Gibt es ein Konzept hinter euren Alben? Joey, bei dir spielt deine Tochter ja eine große Rolle, sie malt die Cover zu deinen Songs und spielt in den Videos mit.

Tony: Ich habe mich hingesetzt und mir vorgenommen, dass ich alle Songs innerhalb eines Monats fertig kriege, dass ich pro Tag einen Song schreibe. Dadurch sind die Songs alle aus einem Zeitraum. Es ist sehr persönliches Zeug, viele der Songs drehen sich darum, Probleme in einer Beziehung zu beseitigen, und deswegen heißt das Album auch "12 Song Program", es ist wie eine Rehabilitationsmaßnahme.

Joey: Nein, ein wirkliches Konzept gibt es eigentlich nicht.

Jöran: Tony, wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Karina Denike, ich finde, dass eure Stimmen sich sehr gut ergänzen...

Joey: Ja, definitiv.

Tony: Karina hat schon auf "On the Outside" gesungen, wir kennen uns schon eine sehr lange Zeit. Ich wollte gerne eine weibliche Stimme haben, die teilweise mit mir singt. Meine Mutter kam eines Tages bei mir vorbei und hat sich die Demos angehört und meinte: "Wer ist das Mädchen da im Background"?" Dabei hatte ich nur versucht, mit meiner Stimme ein bisschen den Hintergrund zu singen. Und ich musste sagen: "Oh, das bin ich..." Danach war eigentlich klar, dass ich eine Sängerin brauchen würde. Denn ich wollte nicht ins Studio gehen und sowas abliefern. Ich kann zwar relativ hoch singen, aber es tut schon sehr weh.

Autor: Jöran Kuschel

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