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Frank Turner im restlos ausverkauften Berliner Magnet Club

Konzertbericht: Frank Turner - Berlin, Magnet Club, 11.12.2009

Ein unauffälliges weißes Blatt an der Glasfassade des Magnet Club im Prenzlberg weist in Computerschrift darauf hin, dass die Abendkasse nichts mehr hergibt. In den kleinen Club tröpfeln allmählich die Konzertiösen kleingruppenweise. Davor versammeln sich in der winterlich kühlen Luft einige Kartenlose und mustern aufmerksam die Neuankömmlinge.

Könnte ja sein, dass diese ein ersehntes Papier zwecks Besitzerwechsel dabei haben.

Zuvor schon in Hamburg restlos ausverkauft, zeigt sich in Berlin also dasselbe Phänomen. Zur Vorstellung seines im September 2009 erschienenen dritten Albums /Poetry of the Deed/, das es in den britischen Album-Charts auf Platz 36 schaffte, spielt Frank Turner an diesem Abend seinen vierten Deutschlandgig der Tour. Als Singer und Songwriter ist er seit 2005 tätig. Seine Musik, die von Folk-Rock und Punkelementen getragen wird, wurde zunächst in der UK 2007 wahrgenommen, als sein Debütalbum /Sleep is for the Week/ erschien. Ein Jahr später trudelte mit dem Album /Love, Ire & Song/ sein Name dann auch über die Inselgrenzen hinaus in den deutschen Sprachraum.

Den Glücklichen, die es hinein schaffen, kündigt die Vorband Jaakko & Jay aus Finnland an: "Wir werden ein paar Lieder spielen und wir werden diese Lieder falsch spielen, dann könnt ihr auch falsch dazu tanzen ... oder gehen." Obwohl seitens der recht jungen Zuhörer kein Wink mit dem ganzen Zaun in Richtung Fluchtversuch erfolgt, weist der Sänger immer wieder etwas verloren darauf hin, das Publikum sei ja freiwillig da und fände es das Konzert der Vorband schlecht, könne es ja gehen, es müsse ja nicht bleiben. Postpubertärer Humor in den ewig langen Reden der Zwei-Mann-Combo, bestehend aus singendem Gitarristen und Drummer, lässt die wenigen Songs der Punkband leider etwas untergehen. Das Publikum zeigt sich jedoch milde und applaudiert, lacht und zappelt sogar mal hier, mal dort. Noch spielt sich jedoch einiges am Tresen und im Outdoor-Raucherbereich ab.

Als und seine Band die Bühne betreten, wird es kuschelig in der kleinen Halle. Einige versuchen listig, vom Outdoorbereich aus über die Sanitärräume, deren Eingangstüren sich am Ende der Halle direkt neben der Bühne befinden, näher an den Ort des musikalischen Geschehens zu gelangen. Die Zuhörer nehmen diesen Newcomer des Folkrock auf, singen mit, tanzen zu puristischen Gitarrenklängen und der live überzeugenden Stimme des Musikers, der die meiste Zeit über die Augen verschlossen lässt beim Singen. Besonders /Long live the Queen/ fällt beim Publikum sehr tanzbar und mitsingbar aus. Überhaupt hat dieser bärtige Mann mit der Gitarre seine Fans gut im Griff und seine Begeisterungsbekundungen fürs deutsche Publikum machen ihn für dieses natürlich äußerst attraktiv. Auch die Tatsache, dass in nahezu jedem zweiten Satz des Turner das böse f-Wort auftaucht, betört seine Zuhörer ebenso, wie ein später leidenschaftlich vorgetragenes Mundharmonikasolo.

Das recht kurze Konzert beendet Turner mit dem rocklastigen Song /The Road/, wie alle seine Lieder selbst geschrieben, und erzählt darin von Wegen, die er noch nicht ging, die ihn locken, denen er abenteuerlustig entgegenblickt. Als er und die Band sich verabschieden und hinter der Bühne verschwinden, sieht das Publikum auch noch offene und begehbare Wege und verlangt nach einer Zugabe. Die wird auch in dreieinhalb Songs gegeben. Beim halben handelt es sich um eine Version des Marius Müller Westernhagen-Klassikers "Freiheit", wobei Turner selbst in sympathischer Manier mit breitem englischen Akzent nur dieses eine Wort singt, der Rest des Stückes wird vor der Bühne lachend von den Menschen, die ganz im Moment aufzugehen scheinen, aufgenommen und getragen.

Nach diesem Finale empfindet der Konzertverlassende jedoch auch eine Art von Freiheit, denn die Straße verspricht Bewegungsfreiheit und ein gesundes Maß an Sauerstoffgehalt, der im kleinen Magnet etwas unterging.

Autor: Mandy Telle

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