Tony Sly - Sad Bear

Tony Sly - Sad Bear

Da sich der Release der neuen Platte - vermutlich auch durch Matt Riddles schwere Erkrankung - ja weiterhin verschiebt, veröffentlicht Tony Sly zwischenzeitlich ein neues Solo-Album. Die Platte des NUFAN-Masterminds, der dieses Jahr ja weiterhin auch mit SCORPIOS aktiv war, hört auf den Namen "Sad Bear". Wollen wir doch mal reinhören, ob es wirklich so traurig wird...

Eins muss direkt zu Beginn gesagt werden: "Sad Bear" ist musikalisch wesentlich ausgereifter und experimenteller als sein Vorgänger "12 Song Programm". Es werden wesentlich mehr Stilrichtungen angespielt, so finden sich sehr starke Country- und Folk-Einflüsse, und auch die Anzahl der unterstützenden Instrument nimmt dementsprechend zu. Support liefern unter anderem Flöte, Akkordeon und Geige. Mit Karina Denike ist auch dieses mal wieder die bekannte und so wunderbar zu Sly passende Backgroundstimme zu hören.

Vom Songmaterial her ist "Sad Bear" wie bereits erwähnt wesentlich anspruchsvoller, was dem Album durchaus sehr gut tut. Ich bin trotzdem immer noch der Meinung, dass Sly seine besten Solo-Stücke und -Qualitäten im zurückgefahrenen, langsamen Akkustikbereich hat. Diese Songs gehen unter die Haut und berühren mich mehr als die experimentellen, die natürlich weiterhin eine sehr gute Qualität haben.

Beginnen wir mit dem verstörend schönen "Dark Corner". Musikalisch fast pompös, die gewohnten Backings von Karina, jedoch ein etwas verstörender Text. Gefolgt wird dieses Stück vom wunderschönen "Devonshire And Crown" ein aus der Distanz geschriebenes Stück über das Vermissen, wirklich einfach schön. So weit zu gut. Mit "Discomfort Inn" an Nummer drei ein Track, der musikalisch nicht ganz so meins ist, aber durch schöne Chöre gegen Ende doch noch zu überzeugen weiß.

Das nicht ganz so melancholische, eher kritische "Hey God", bildet ein kleines Interlude, bevor mit "Therapy" ein unglaublich berührender und trauriger Song folgt, den ich mit 2 1/2 Minuten viel zu kurz finde. "Burgie's, Basics and You" ist dann wieder ein bisschen experimenteller und kommt mit einer leichten Country-Verve daher, vielleicht liegt das aber auch nur am Banjo liegt. Das folgende "In The End" hat zwar eine sehr schöne Untermalung, fällt aber im Vergleich zum nun folgenden etwas ab.

Ok, auf in die letzten fünf Songs mit "Francis Stewart", einem wundervollen Song über den gebrochenen Mann mit dieser wunderbar einfachen Klavierlinie untermalt von einer einfachen Gitarre und Geige. Mit Homecoming findet sich dann doch noch ein recht fröhlicher Song auf der Platte, der mal wieder von Joey Cape unterstützt wird, eine bekanntermaßen gute Kombo.

Richtig traurig-grandios wird es dann noch eimal mit "The Monster And The Devil" mit folkiger Flöte und seiner verträumten Harmonik am Anfang und am Ende, ein großartiger Song, der aber von seinem Nachfolger noch in den Schatten gestellt wird. Das mit dem Aufziehen einer Spieluhr und ihrer folgenden Melodie beginnende "Flying South", welches dann zunächst nur von seiner Stimme und einer einfachen Klavierlinie getragen wird, bevor sparsam Bläser und Gitarre und weitere Instrumente einsetzen ist unglaublich schön und sentimental. Selten war ich von einem solch zurückgefahrenen Stück so berührt. Zu Ende hin schwingt sich Sly noch einmal auf riesige Höhen.

"San Mateo Fogline" liefert dann noch ein sehr feines abschließendes Stück mit Banjo-Begleitung und einem netten kleinen Outro, was "Sad Bear" hervorragend abschließt.

Ein wenig fehlt mir zwar so ein richtiger Knaller wie das herausragende "Capo, 4th Fret" von "12 Song Programm". Sly kommt manchmal in die Nähe dieses Stückes, ganz heran zu reichen an diese natürlich nicht gerade tief hängende Messlatte, schafft aber keins, gut, "Flying South" vielleicht.

Was mich ein wenig betrübt, ist die Frage, was eingentlich mit Tony Sly los ist. Wie kann man zwei so grandiose, aber gleichzeitig auf textlicher Ebene auch so verstörende und bedrückende Alben hintereinander veröffentlichen. "Sad Bear" ist ein würdiger Nachfolger von "12 Song Program" und zeigt, was für ein großartiger Songwriter Sly ist. Jedem sei allerdings gesagt, dass dies kein Punkrock a la No Use For A Name ist, sondern ein eigenständiges Werk, welches in eine total andere, beklemmendere, aber auf ihre Weise herausragende Richtung geht. Mir bleibt nicht anderes übrig als mich vor dem zweiten Meisterstück eines grandiosen Künstlers zu verneigen. Chapeau, Herr Sly!

Autor: Jöran Kuschel

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