Justin Sullivan (New Model Army) - 19.12.2009

Na, da hatte ich mir ja etwas eingebrockt. Es gibt eigentlich keinen Interview-Partner, vor dem ich mehr Respekt haben könnte. Aber nach 3 Jahren Musikinstinkt, kann ich das ja mal wagen. Am 19.12 vor dem 10ten Weihnachtskonzert im Kölner Palladium war es dann so weit, ich saß mit Herrn Sullivan im Backstage-Bereich.

Frank: Also, starten wir mit der obligatorischen Frage zum letzten Album. Bist du mit dem Ergebnis zufrieden?

Justin: Es ist ein echt gutes Album geworden, denke ich! Ich glaube es ist noch nicht das perfekte Album, aber es ist definitiv eines unserer Besten! Es ist das Album mit dem größten Live-Gefühl, dass wir seit langer langer Zeit gemacht haben, wahrscheinlich seit "Love Of The Hopeless Causes" oder vielleicht sogar seit jeher. Ich meine das in dem Sinn, dass wir im Grunde die Songs geschrieben hatten, sie arrangiert hatten, sie gelernt hatten, einige live auf Konzerten gespielt hatten und dann sind wir ins Studio gegangen und da haben wir die Songs einfach nur noch gespielt. Sehr schnell. Das ganze Album hat nur 12 Tage gebraucht um eingespielt zu werden.

Wir haben mit sehr wenig Overdubs gearbeitet, meist hat die Band einfach nur gespielt. Oft haben wir Platten gemacht, bei denen jeder seinen Part hatte und der wurde dann einzeln eingespielt. Das Ergebnis ist dann dadurch nicht wirklich wie eine Performance. Und "Today is a good day" ist voll von Stücken, die wie eine Performance rüberkommen. Du kannst die Band hören, wie sie schneller wird, wenn sie erregter wird und wie sie danach wieder langsamer wird. Verstehst du, was ich meine? Es fühlt sich sehr natürlich an und nicht so unecht.

Ja, ich glaube es ist ein echt gutes Album!

Bis auf einen Track, ist alles hauptsächlich im Oktober geschrieben worden, ähm (rechne) 2008, kurz nach dem Wall-Street-Crash. Okay, "Ocean Rising" war natürlich noch davor und "Arm Yourselfs and Run" ist ein Song, den ich mal in den 90ern begonnen, damals aber nicht beendet hatte. Der Rest ist im Oktober geschrieben, außer eben der letzte Song. "North Star" ist in vielen Belangen die Ausnahme auf dem Album. Der Song wurde nicht live eingespielt, das Stück wurde "konstruiert". Ich und Michael haben den Song entwickelt, wir hatten dieses kleine Projekt "North Star" schreiben zu wollen, denn es sollte offensichtlich ein Song für Tommy (Anm. plötzlich verstorbene langjähriger Manager der Band) werden. Wir haben es direkt während der Aufnahmen geschrieben.

Frank: Damit hast du gleich mehrere meiner vorbereiteten Fragen beantwortet. Wenn du gerade über Tommy redest, das war euer erstes Album, bei dem ihr euch auch um das ganze Management-Zeugs selber kümmern musstet und euch nicht auf Tommy stützen konntet, hattet ihr da andere Hilfe?

Justin: Ja, natürlich wir hatten Hilfe. Aber, ein Großteil dieser Arbeit fiel dann doch mir zu. Die Sache dabei ist, ich habe eine Menge gelernt, und wenn ich es so bedenke, scheinen wir es insgesamt nicht so schlecht gemacht zu haben. Tatsächlich hat sich das Album besser verkauft als die Letzteren. Und die Tour war bisher auch sehr erfolgreich und das in einer Zeit, in der andere Bands nicht sehr viele Tickets verkaufen. Irgendwie ist alles doch noch sehr gut gelaufen.

Eine Plage war natürlich, dass ich furchtbar viel Zeit damit verbringen musste Business zu machen, Mails an Stelle von Songs zu schreiben und über Musik nachzudenken. Weißt du, viele Manager haben angefragt und gesagt: "Hey, ich kann euch managen". Aber die wollten am liebsten alles übernehmen. Wir kannten die Leute aber nicht richtig und da ist es sehr schwer jemand so zu vertrauen, wie es sein müsste. Jetzt suchen wir jemand der so eine Art Part-Time-Manager wird, der das macht, was wir gerade von ihm wollen, hauptsächlich sich um Geldangelegenheiten und Businesssachen kümmert, aber wir wollen auch einige Sachen weiter selbst in den Händen halten. Also, mehr eine Art Business-Zusammenarbeit, und ich hoffe, das wird dann auch so funktionieren. Vieles machen Michael, Ich oder auch Dean. Wir 3 wohnen recht nah zusammen. Bei Vielem, was innerhalb passiert, wie z.B. die Justin and Friends Tour, sind wir 3 involviert, das liegt halt an der geografischen Nähe.

Frank: Was für einen Einfluss haben dann Nelson und Marshall?

Justin: In den Management-Aufgaben? Eigentlich nicht sehr viel. Musikalisch, haben die beiden natürlich großen Einfluss. Dies ist zur zeit die beste Version der , wahrscheinlich seit 1985. Weil, die Band ist mit uns 5 sehr ausgewogen besetzt. Da ist kein ... sagen wir es so; Manchmal, wenn 5 Leute zusammen sind, sind 2 dabei, die die anderen 3 nur ergänzen, oder anders herum. Es gibt dann so etwas wie politische Spielchen innerhalb der Band. Das gibt es bei uns überhaupt nicht, keinerlei Disharmonie. Das Ergebnis ist, dass wir uns vertrauen. Mann merkt es auch am Album, alle haben da ihre Parts, jeder spielt und hat seinen Auftritt. Es liegt an unserer Einstellung, wir vertrauen einander. Natürlich haben wir auch Meinungen und argumentieren über musikalische Sachen, aber nicht über die unwichtigen lächerlichen Sachen. Wir führen keinen Kleinkrieg wegen blöden Sachen.

Frank: Wenn ich Kritiken zum Album lese, kommen die Leute meist zu 2 Ergebnissen: Entweder, nichts Neues, ein Album genauso wie alle anderen Vorgängealben auch oder sie sehen es als komplett frisches, rockiges Album, um einen Sprung in der Entwicklung. Wie erklärst du dir diese gegenteiligen Aussagen.

Justin: (lacht) Frag nicht mich, ich bin ja kein Kritiker. Du weißt doch, die Leute hören das, was sie hören wollen.

Frank: Ich fand's seltsam, denn für mich war es sehr offensichtlich, dass sich da etwas getan hat, besonders wenn ich die Gitarren höre, bzw. Marshalls Gitarre.

Justin: Also, der erste Track ist schon fast ein Metal-Track, und da sagen dann einfach manche: "Oh God, different". Wenn du aber das Album als Ganzes siehst, da ist etwas, was schon mit der "High" angefangen hat, nur "High" ist da irgendwie ein wenig unvollständig geblieben, auf eine Art. Da ist etwas in "High",... . "High" hat die gleichen Arten von Sounds, den gleichen Ansatz im Songwriting, und es ist definitiv auch ein Rockalbum, genauso wie dieses hier ein Rockalbum ist. Aber High ist nicht so frei, "Today is a good day" ist ein sehr freies Album. "States Radio" zum Beispiel, wir beginnen dort mit einem bestimmten Tempo und zum Schluss sind wir dann viel viel schneller. Es ist so, als ob alle außer Kontrolle geraten sind, das ist sehr spannend zu hören. Bei "Ocean Rising" ist das Gleiche passiert. Zu Beginn ein Tempo und der Kontrollverlust zum Ende des Songs, und das in einem sehr guten Sinn. Das Gegenteil davon ist "God save me", welches langsam und schwer ist und das ist es auch, wo der Song am Ende hingeht, er wird langsamer und schwerer und langsamer und schwerer, wie bei einem Kampf. So viele moderne Rock-Platten werden mit Click-Tracks aufgenommen um ein Tempo zu halten, ich finde die Platten werden dadurch langweiliger.

Frank: So, du scheinst kein großer Fan von moderner Rockmusik zu sein?

Justin: Ähmm, ich weiß nicht. (Lacht) Ne, bin ich nicht, nicht wirklich. Aber, wir mögen halt alle andere Sachen. Marschall, Michael und Dean, das sind alle Rocker. Ich und Nelson sind da nicht so die Rocker-Typen. Wir mögen zwar schon das eine oder andere Rock- oder Metal-Stück, aber es ist nicht das, wo unsere Wurzeln liegen. Nelson steht mehr auf so Bands wie Sonic Youth, oder auch etwas wie PJ Harvey. Das ist zwar auch Rock, aber nicht auf die klassische Art. PJ Harvey mag ich ebenfalls. Meine Wurzeln liegen in der Soul Musik, ich war ein Motown-Fanatiker, "Northern-Soul", das sind meine Wurzeln.

Frank: Ich bin immer wieder fasziniert von Marshall, wenn er beginnt "Vagabonds" zu spielen ...

Justin: Er fragte, was ist das für ein Song, den die Fans immer rufen. Ich sagte ihm, das ist "Vagabonds", ein Song den wir mal mit einer Violine aufgenommen haben. "Spiel es mir vor", sagte Marshall, und da habe ich es ihm vorgespielt. "Das kann ich" - "Okay, dann mach's". Und das war's dann und er macht es echt richtig richtig gut. Er ist ein fantastischer Gitarrenspieler. Es ist offensichtlich, dass er technisch unglaublich gut ist. Aber er hat auch eine Menge Soul im Blut, er spielt so unglaublich gefühlvoll.

Frank: Hast du ihn mal mit seiner anderen Band Kyla Brox spielen gesehen.

Justin: Ja, klar. Er ist ein echter Blues-Mann. Mit allen anderen Bands in denen er gespielt hat, hat er Blues gemacht, Blues-Rock auf der traditionellen Art. Er muss, wenn er für spielt sein Hirn umstellen, weil wir das ja nicht wollen. Wir wollen, dass er etwas Neues kreiert, etwas anderes. Und das machte er. Er kommt mit neuen Sounds, neuen Ideen. Das Solo am Ende von "North Star" z.B. ist unglaublich schön, es ist auch eine Art Soul aber anders, ein abgedrehter Sound, sehr interessantes melodisches Spiel.

Frank: Werdet ihr "North Star" mal live spielen?

Justin: Bisher haben wir es noch nicht gespielt, wir hatten drüber nachgedacht es heute Abend zu spielen, aber wir hatten noch keine Möglichkeit es zu üben. Weißt du, dies war hier Tommys letzter Gig im letzten Jahr. Ich denke, am Anfang hatten wir ein komisches Gefühl im Bauch, als wir da drüber nachgedacht haben, ob wir dieses Lied echt irgendwann spielen wollen. Ähnlich wie bei "Fireworks Night" von der "Carnival". Weißt du, Lieder für tote Freunde zu spielen, ist immer eine sehr seltsame Sache. Aber tatsächlich denke ich werden wir es spielen, denn es ist ein echt sehr schöner Song. Und so, wie wir alle da drin über Tommy sprechen, ist zwar emotional, aber es ist nicht kitschig.

Die Sache mit Robert (Anm.: Verstorbener Schlagzeuger der Band, Autor u.a. von "Green and Grey") war viel schwerer, komplizierter. "Fireworks Night" ist ein sehr seltsamer Song, er ist dunkel, sehr kompliziert, er ist wie eine Kriegswunde. Wenn ich an Robert denke, ... . Er war nicht so, wie die Leute dachten, dass er war. Er war ein schwerer, aufgewühlter und brillanter Mensch. Und sein Leben war genauso schwer, aufgewühlt und brillant.

Tommy war dagegen ein sehr direkter wilder Mann, er machte eine Transformation durch, von einer wilden Jugend, zu einem guten Vater. Und in diesem Sinn war sein Leben eine Reise. Wobei diese Transformation auf eine Art und Weise abgeschlossen war, nur leider wurde sein Leben dann zu abrupt beendet. Aber, er hatte ein Leben, und er hat diese Reise beendet.

Frank: Wenn man dich so reden hört und deine Texte liest, scheinst du ein sehr guter Beobachter von Menschen und Situationen zu sein. Machst du das bewusst, um später da drüber zu schreiben, oder passiert das von allein.

Justin: Ich mag es über etwas nachzudenken und ich bin in der glücklichen Lage, dass ich dazu die Zeit habe. Viele Menschen mögen es, aber die gehen bis abends arbeiten, und danach sind sie zu ermüdet, sie spielen dann lieber mit ihren Kindern oder schauen ein wenig fern. Ich habe einfach viel Zeit über solche Sachen nachzudenken, ich mache eigentlich sonst nicht viel. Zum Beispiel zu Hause in meiner Beziehung mit Joolz, für Außenstehende eine merkwürdige Beziehung. Es ist eine sehr bewusste Sache, in dem Sinne, dass wir beide Ideen mögen, wir beide interessieren uns für Menschen, wir reden über solche Sachen, immerzu. Und wir beiden lieben es da drüber zu reden.

Wir haben uns damals in einem billigen Night-Club kennengelernt. In einer verschneiten, sehr kalten Nacht 1979. Wir haben begonnen zu reden. Zunächst über Menschen, Religion, Sex, Politik und Natur. Und diese Konversation ging weiter und weiter und hält heute noch an. Klar haben wir uns verändert, wir sind 40 Jahre älter. Aber, wir haben einfach noch das gleiche Interesse daran.

Frank: Wie kam es dazu, dass "Ocean Rising" nach so langer Zeit doch noch auf ein Album kam?

Justin: Ich glaube es ist anders. Weißt du, ich wollte, dass die Band einen Song vom Solo-Album spielt. Und das war dann "Ocean Rising". Teilweise weil, als ich das Solo-Album beendet hatte, sagte Michael, dass es ein fantastischer Song sei, aber der Song noch ein Schlagzeug braucht. Dafür war es dann allerdings zu spät. So haben wir dann diese Band-Version gemacht und live gespielt. Und irgendwie war der Song anders als die Version vom Solo-Album. Also haben wir gesagt, lasst es uns mal aufnehmen und wenn es gut und anders wird, packen wir es mit auf das Album. Wenn's nicht wirklich anders wird, lassen wir es weg. Als wir es aufgenommen hatten, mochten es alle. Ich wurde schon öfter nach den Unterschieden gefragt und ich denke folgendes; Das Stück vom Solo-Album ist, als ob man den gewaltigsten Sturm der Welt aus der Ferne beobachtet, und das Stück vom -Album ist wie ein kleinerer Sturm, der aber dann direkt über einem zusammenbricht. (lacht) Das ist das Gefühl, dass ich bei dem Song habe.

Frank: Ihr seid in den letzten Jahren auch viel in Amerika auf Tour gewesen, sind die Konzerte dort verschieden zu denen in Europa?

Justin: Ja und Nein, es sind meist kleine Gigs, klar wir spielen auch kleine Gigs in Europa, nicht in Deutschland oder England, hier sind es meist Gigs jenseits der 500 bis 1500 Leute, oder auch 2000, ebenso in der Schweiz, oder in großen Städten wie Paris. Aber manchmal spielen wir auch kleinere Clubs, zum Beispiel gestern in Paris, das sind dann die Größen wie in Amerika, so Clubs mit rund 200 Leuten.

Frank: In Europa habt ihr eine sehr treue Fangemeinde ...

Justin: Oh, das ist in Amerika genau so. Natürlich in kleinerer Anzahl aber genauso begeistert. Das ist auch der Hauptgrund nach Amerika zu gehen. Aus Businesssicht macht das sonst überhaupt keinen Sinn! Und wir machen das auf die Harte Tour, setzen uns in einen Van, fahren selbst, bauen unsere eigene Anlage auf und ab. Wir versuchen mit so wenig Crew wie möglich auszukommen. Das ist manchmal ganz schön hart, aber wir tun es, weil wir glauben, wir sind es diesen Fans schuldig, die immer weiter zu unseren Gigs kommen und unsere CDs kaufen.

Frank: Also gibt es dort auch diese "Following"-Sache?

Justin: Ja, das ist dort genauso, exakt genauso, nur eben kleiner.

Frank: Ihr habt versucht das letzte Album ohne eine klassische Promotion-Firma zu vermarkten. Ich hatte wegen dem Album Kontakt zu einigen Leuten, Andrew vom Vertrieb Al!ve, mit dem Street-Team, die auch einiges gemacht haben. Meinst du, das ist ein neuer gehbarer Weg, CDs in der heutigen Zeit zu verkaufen.

Justin: Oh, keine Ahnung, Ich bin kein Business-Mann und leider auch kein Wissenschaftler der Musikindustrie, es war einfach der Weg, den wir gegangen sind. Jeder macht so etwas anders. Wenn du dich an die Geschichte von erinnerst, wir haben so ziemlich jeden Fehler gemacht, den eine Band machen kann. Mann macht halt Fehler. Aber am Ende macht das eigentlich nichts aus. Siehst du, wir sind ja immer noch hier. Und wir haben bisher und werden immer nur das machen, was wir machen wollen. Wir haben nie das gemacht, was andere uns gesagt haben, was wir machen sollen, nur um mehr Platten zu verkaufen. Wir können uns also auch nicht beschweren, dass wir nicht genug Platten verkaufen. Wir haben die Leute immer in die Wüste geschickt. Es ist einfach so, dass der Hauptgrund für uns in der Band zu sein, nie Platten zu verkaufen war, Geld zu verdienen oder so etwas wie eine Karriere zu haben. Das war nie der Grund Nummer 1. Vorrangig war immer einfach nur etwas zu machen, dass wir gut finden. Und das war's.

Frank: Also wirst du in weiteren 20 Jahren immer noch mit unterwegs sein.

Justin: Ich weiß nicht, aber... wahrscheinlich schon! Ich liebe es auf Tour zu sein, den Lifestyle, das Gefühl eine Familie, die man auf Straße ist, zu sein. Ob man jetzt etwas verkauft? Es ist schön, wenn Leute sagen, dass man großartig war. Manchmal hat man aber auch schlechte Nächte, wenn Gigs scheiße waren. Aber dann sagt man sich: "Okay heute war's scheiße, morgen Abend werden wir es besser machen". Weißt du, wir haben ca. 3000 Gigs gespielt und ich kenne immer noch nicht wirklich das Geheimnis eines perfekten Gigs. Klar wir haben einige perfekte Gigs gehabt. Die Geografie eines Gigs hilft. Ich hatte eben über den Gig im Maroquinerie letzte Nacht gesprochen, in Paris. Da kann man eigentlich keinen schlechten Gig spielen, es ist klein und hat Stufen rechts, links. Egal wo man hinschaut, man guckt immer in ein Gesicht. Aber sonst, ist es echt sehr schwer zu sagen, wann ein Gig gut wird. Auch hier, wir haben hier schon 10 mal gespielt und einige Gigs waren absolut außergewöhnlich gut, die hatten so einen speziellen Vibe, auch wenn diese Halle eigentlich recht unpersönlich ist. Andere der Gigs waren dann wieder recht gewöhnlich und ich weiß da echt nicht, worin das Geheimnis liegt.

Frank: Findest du es nicht ungewöhnlich, dass eine Band wie , ohne große Plattenfirma im Rücken, ohne großen Promotionaufwand und ignoriert von den großen Medien, regelmäßig jedes Jahr diese echt große Halle füllt.

Justin: Ja, das ist schön, oder? Ich weiß aber nicht warum, ich analysiere das nicht. Es ist einfach so bei uns, klar, alles hat einen Grund. Das ist bei uns so und das ist in anderen Bereichen so, alles hat einen Grund. Es ist genauso, wenn man die Geschichte betrachtet, es gibt Gründe warum die Welt so ist, wie sie ist. Und genauso gibt es Gründe warum so ist wie ist. Aber es ist besser das nicht zu doll zu analysieren, besonders für uns ist das besser. Ich habe zum Beispiel gestern Nacht einen tollen Film gesehen. Ein Film über Schimpansen. Und die haben getrommelt! Da lag ein hohler Baum und die Affen sind hingerannt, sind drauf gesprungen und haben mit ihren Füßen darauf rumgetrommelt. Sind runtergesprungen und dann wieder drauf und weitergetrommelt. Warum? Weil's toll klang! Das war der einzige Grund. Keine Botschaften, kein geheimes Signal, es war gar nichts, es hat sie einfach nur glücklich gemacht diesen Sound zu machen. Das war alles. Und uns macht es eben auch glücklich unseren Sound zu machen und anderen macht es Spaß unseren Sound zu hören.

Frank: Ihr benehmt euch also wie Affen (lacht)?

Justin: (lacht) Ja absolut. Wir sind alle Affen, absolut!

Frank: Was sagst du über das, was letzte Nacht in Kopenhagen passiert ist?

Justin: Ich bin da nicht drüber überrascht. Tatsächlich nicht 1% überrascht, ich wäre überrascht gewesen, wenn ein Ergebnis rausgekommen wäre. War irgendjemand überrascht?

Frank: Ich war überrascht über die Art und Weise, wie sie ein solches Ergebnis versuchen als Erfolg zu verkaufen. Warum man nicht bei so offensichtlichen Versagen mal ehrlich sein kann.

Justin: Das sind Politiker, die können nicht ehrlich sein. Das ist ein Teil ihres Jobs nicht ehrlich zu sein. Um ehrlich zu sein (lacht über das Wort), im Westen liegt die Macht doch bei der Presse, bei den Medien. Politiker müssen das machen was die Medien wollen, die Medien machen die Meinung und die Mehrheiten bei den Wahlen.

Frank: Aber die Medien stellen den Abschluss in Kopenhagen auch als Versagen da.

Justin: Ja, die Medien haben zwar die Macht Meinungen zu machen, aber sie haben keine Verantwortung. Die Menschen sind nicht fähig, nicht als Spezies, mögliche Szenarien der Zukunft zu sehen und dementsprechend ihr Handeln zu ändern. Die Menschheit ist dazu einfach nicht fähig. Wir sind nur große Schimpansen. Und im Grunde sind wir viel zu viele, es ist eigentlich ein einfaches Problem der Masse, ich denke am Ende des 21. Jahrhundert werden es weniger von uns. Keine Frage, die Menschen werden überleben, weil wir sind schon ganz clevere Affen, aber wir werden weniger werden, nicht mehr.

Frank: So, nun noch ein paar schnelle Fragen. Wo wirst du zu Weihnachten sein?

Justin: Ich werde wahrscheinlich bei Joolz' Vater sein, Familiensachen, am nächsten Tag zu meiner Mutter, im Kreis meiner Familie. Das ist für mich Okay, meine Mutter ist schon ziemlich alt, Joolz' Vater auch. Man weiß nie wie viel Zeit man noch hat und da ist es eine Mischung zwischen Pflicht und Freude, aber das ist gut so, es ist so, wie es sein soll.

Frank: Gibt es etwas, nachdem du süchtig bist, ... Silberschmuck?

Justin: (lacht) Ne, meine Hauptsucht ist das Rauchen. Ich habe mit 14 angefangen, und ich rauche immer noch. Ich rauche nicht immer, ich versuche oft aufzuhören, aber dann fange ich wieder an, hör wieder auf und so weiter! Ich schaffe es meist einige Wochen ohne Zigaretten. Ich schaffe es aber nicht mich mal auf ein oder zwei pro Tag zu beschränken, bei mir geht nur 20 am Tag oder gar keine. Alkohol und so, da kann ich ganz gut ohne leben. Reisen! Wenn ich irgendwo länger als 2 Wochen bin, dann fängt es an zu jucken.

Frank: Das wäre die nächste Frage, was wäre dein nächster Urlaub?

Justin: Für Urlaub habe ich nie richtig viel Zeit. Im Januar nehme ich mit der Band "New York Alcoholic Anxient Attack" auf, eine Band um die ich mich ein wenig kümmere und die Joolz managt. Wir machen ein Album. Ende Januar werde ich vielleicht eine Woche Zeit haben und ab Februar/März touren wir wieder. Im April auch. Und Joolz hat einen total anderen Zeitplan, neben dem Schreiben und dem Malen macht sie noch eine Menge Tattoo-Kunst. Sie hat viele Kunden. Vielleicht gehe ich meine Schwester besuchen, die lebt in Kairo. Ich war ewig nicht mehr bei ihr. Eine Interessante Stadt, total verrückt und es wärmer als hier.

Frank: Letzte Frage, wer hat die Support-Bands ausgesucht?

Justin: Ich! Wir hatten die Qual der Wahl, wir konnten aus vielen vielen Bands aussuchen. Ich bin aktuell nicht sehr vertraut mit Laibach, ich erinnere mich nur an die 80er. Ich dachte, irgendwo sind sie eine zu ziemlich gegenteilige Band. In dem Sinne, dass sie eher ein Kunstprojekt sind. Nicht wirklich Rock'n Roll. Also dachte ich, das könnte interessant werden. Und auf Juno Reactor freue ich mich, ich kenne sie auch nicht besonders, aber ich habe eine Menge guter Sachen gehört. Und ich habe heute erst erfahren das "Budgie" (Anm.: Peter Edward Clarke, ehem. Siouxsie & the Banshees) da am Schlagzeug sitzt. Einer meiner Helden. Ich denke es ist ein sehr interessantes Line-Up.

So, damit war ich durch. Danke an Andrew von Al!ve fürs organisieren und an Carlos von Contour für die unzähligen Sachen, in all den Jahren!

Autor: Frank Reins

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